Werner Frhr. v. Fritsch (*1880)

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Lebenslauf Werner Frhr. v. Fritsch (1880-1939)

- Verfasst von Thomas Frhr. v. Fritsch (1909-2006) -

Werner war in den strengen und eindeutigen Auffassungen des deutschen Offizierkorps und des Generalstabes unter betonter Religiosität aufgewachsen. Dazu gehörte der Grundsatz Moltkes: "Mehr sein als scheinen!". Dem folgte er so eindeutig, dass außerhalb der Wehrmacht sich allgemeine Überraschung zeigte, als ein bis dahin kaum bekannter Offizeir Oberbefehlshaber des Heeres wurde. Gegenüber den immer wieder von verschiedenen Seiten herantretenden Absichten das Heer für politische Zwecke einzusetzen, blieb er beim Grundsatz der klaren Trennung politischer und militärischer Aufgaben. Er war in seiner Tätigkeit hauptverantwortlich für den Aufbau des 100.000 Mann-Heeres und die Aufrüstung der Reichswehr zur späteren Deutschen Wehrmacht. Bei aller Bedeutung der Waffenausrüstung war sein Anliegen die charakterliche und leistungsmäßige Prägung. Dies galt vor allem dem Offizierskorps. Seiner Aufgabe hat er sich mit voller Überzeugung und allen Fähigkeiten gewidmet.

Werner war mittelgroß, untersetzt, kräftig und mit braunen Augen. Er hielt sich immer kerzengerade; weder durch Statur noch durch Aussehen fiel er besonders auf. Es war die Persönlichkeit, die mit völliger Eindeutigkeit, Disziplin und unbezweifelbarerer Energie auftrat. Seine einzige Liebhaberei war das Reiten, auch noch als Oberbefehlshaber. Selbst im kleinen Familienkreise war er wortkarg. Niemals kam ein Wort über Politik oder die allgemeine Lage über seine Lippen. Dies entsprach der Haltung des Offizierskorps, in dem der Generaloberst vor 1914 aufgewachsen war und ist nach 1918 durch entsprechende Feststellungen des Generalobersten v. Seeckt bestätigt. Es war das stete Streben, die Wehrmacht aus der Politik herauszuhalten.

Sein Sinn für Humor war groß; doch es war kein sprudelnder fröhlicher Humor, sondern ein liebenswürdiger Sarkasmus, der nie verletzte. Als Kind klagte er über Kopfschmerzen, besonders beim Lesen, bis man eine schwere Schädigung des linken Auges feststellte. Seitdem trug er immer ein Monokel. Wegen seines Augenfehlers wurde er als Offiziersbewerber bei mehreren Regimentern abgelehnt. Bei der Vorstellung beim Artillerieregiment 25 klemmte er das Monokel ins Auge und sagte zum Regimentskommandeur: "Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß ich im Dienste stets dies Glas tragen werde!" Dies lebenslange Verhalten ist vielleicht der stärkste Ausdruck seiner Disziplin. Er wurde dadurch nun nicht etwa einseitig oder fühlte sich belastet; es war zur Selbstverständlichkeit geworden.

Das wirkte sich in jeder Hinsicht aus. Er war kurz, knapp in seinen Reden von absoluter Eindeutigkeit, die keinen Zweifel ließ. Im Freundes- und Verwandtenkreis, im Dienst wurde er geschätzt und verehrt, weniger wegen seines Wissens, seiner Leistung, sondern wegen der unantastbaren Zuverlässigkeit und bei allem Können und Leisten seiner persönlichen Zurückhaltung und Bescheidenheit.

In der Familie war er voll Herzlichkeit und Verstehen; seiner Mutter schrieb er alle zwei Tage, auch noch unmittelbar vor seinem Tode. Schwer getroffen hat ihn der Verlust der Schwester Grete, die er am meisten schätzte; sie starb mit 17 Jahren. Um die Neffen in Goddula war er bemüht; er förderte sie, vermittelte Lehrstellen und trug finanziell zu ihrem Unterhalt bei, vor allem bei dem Neffen Wilhelm. Auch seiner Nichte Erika Rödiger gegenüber hielt er es so. Er richtete die Hochzeit aus und finanzierte sie. Dabei war er ohne Vermögen und Besitz und lebte von seinem Gehalt. Persönliche Anspruchslosigkeit ermöglichte dies alles. Nach seinem Abschied kam es zu einer Spende des gesamten Offizierskorps, zu der jeder beitrug. Aus dem Ergebnis wurde ein Haus in Berlin, Albertinenstraße, gekauft und ihm geschenkt. Das "Haus Treue". Doch war ihm die finanzielle Last des Hauses zu viel. General Osterkamp, Heeresverwaltung, brachte die Lösung: Das Haus wurde als Wehrmachtvermögen übernommen und mit vollem Unterhalt ihm zur Verfügung gestellt. Dies sollte bis zu seinem Tode gelten; dass dieser schon nach einen Jahr eintrat, ahnte niemand. Diese Sammlung für ihn und die Regelung sind ein Zeichen für die allgemeine, uneingeschränkte persönliche Verehrung, die er genoss. Dies gilt nicht nur für die Truppe, sondern auch für den persönlichen Umkreis.

Nach seinem Freispruch hat Werner die älteren Herren der Familie zusammengebeten, ihnen alles geschildert und eine Gesamtdarstellung gegeben. Es existiert die Vermutung, er habe „den Tod gesucht“. Dies lässt sich aus den Dokumenten allerdings anders herauslesen. Er war überzeugter Christ, dem dies als eine Art Selbstmord unmöglich war.

Bei Werner kommt hinzu, dass er für den weiteren Verlauf des Tages, an dem er fiel, eine Fahrt nach Rastenburg in Ostpreußen angesetzt hatte. Das Grab ist auf dem Invalidenfriedhof in Berlin erhalten. Außer vier Kasernen der Bundeswehr wurden ihm vier Gedenksteine errichtet. Die Gedenkstätte in Warschau wurde zerstört und noch nicht wieder vorgerichtet. Doch war die Erinnerung an seinen Tod in der polnischen Bevölkerung so lebendig, dass am Ort des Geschehens die Straße einige Zeit „Generalskaja“ hieß.

Außer einer einstündigen Rede, die Adolf Hitler vor allen Generälen und Admirälen hielt, war ein Zeichen der Rehabilitierung die Ernennung zum Chef des Artillerie-Regiments 12 in Schwerin, dessen Kommandeur er gewesen war. Von der Bundeswehr fand zum 50. Todestag am Gedenkstein in Bergen eine Feierstunde statt.

Alleinerbin war seine Schwester Elisabeth. Im Besitz ihrer Nachkommen sind Briefe und Unterlagen erhalten. Ein weiterer Teil dienstlicher Unterlagen war vorhanden und ist durch die Hände von David Irving nach den Vereinigten Staaten gekommen. Die Personalakte des Generalobersten ist mit zahlreichen anderen Personalakten der Wehrmacht vor Kriegsende vernichtet worden. Sein Pferd Kolumbus hielt nach dem Tode General Ulex, seinen Offizierssäbel Generaloberst Beck. So sind nur wenige Erinnerungsstücke im Familienbesitz, z.B. die Schulterstücke vom Mantel, den er bei seinem letzten Gang trug.

Weitere Informationen:
ZEIT Online
Landschaftsverband Rheinland
Lebendiges Museum Online

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